Der erste Tag in der Lungenklinik liegt fast hinter mir. Die Klinik ist sehr angenehm und die Zimmer groß mit wunderschönem Ausblick – selbst im Januar. Das Personal und die Ärzte sind ausgesprochen freundlich und alles ist hervorragend organisiert.
Die heutigen Untersuchungen liefen erfreulicherweise gut. Ich war auch fest entschlossen lieber tot vom Ergometer zu krachen, als aufzugeben, bevor die Ärztin mein Martyrium von sich aus beendet. Zum Glück kam dieses Signal dann auch noch kurz vor meinem Herzkasper. Der Chefarzt war vorhin bei mir und sagte, dass der OP sehr wahrscheinlich nichts mehr im Wege steht. Die für morgen angesetzte Bronchoskopie ist wohl auch eher eine Formsache. Ich soll mir morgen einen Termin zum Gespräch beim Chefarzt der Chirurgie holen und am Donnerstag tagt dann die Tumorkonferenz zu meinem Fall. Wenn grünes Licht gegeben wird, erfolgt die OP zeitnah, also vermutlich Anfang Februar.
Ich bin seit heute Mittag allein in dem großen Zimmer, genieße die Aussicht, widme mich meinem Online-Erfolgskurs, meinen Gedanken dazu und dem Hörbuch „Der Zauberhut“ von Terry Pratchett.
Vor einiger Zeit habe ich angefangen mich erneut mit den Scheibenweltromanen von Terry Pratchett zu beschäftigen. Es sind insgesamt 48 Stück. Die Romane spielen alle auf der selben Welt, haben aber die Erlebnisse unterschiedlicher Personengruppen zum Thema. Bestimmte Personen, wie zum Beispiel der TOD (der immer in Großbuchstaben spricht) kommen jedoch in jedem Roman vor. Ich liebe Pratchetts Schreibstil, die humorvollen, detailverliebten Beschreibungen, aber auch die unbändige Phantasie und die interessanten Parallelen zu wissenschaftlichen, philosophischen und psychologischen Themen unserer realen Welt.
In meinem Onlinekurs geht es seit heute um das spannende Thema der Kommunikation. Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon diverse Seminare dazu besucht und obwohl mir die meisten Gedanken nicht ganz neu sind, so habe ich sie über die Jahre in irgendwelchen Regionen meines Hirns verkümmern lassen. Der Einstieg in das Thema läuft über die Analyse der Kommunikation mit sich selbst, also die (hoffentlich) inneren Selbstgespräche, die wir führen. Meist liegt dort schon etwas im Argen, wir sind zu fordernd mit uns oder stellen uns selber die falschen Fragen, die uns dann in unserer Motivation und damit in unserem Erfolg bremsen. Die Aufgabe für den heutigen Tag besteht darin, Fragen an uns selbst zu formulieren, aus denen wir Kraft und Motivation schöpfen können. Ich hatte bereits eine Seite voll geschrieben, da stand plötzlich folgende Frage auf dem Papier: „Was liegt hinter dem Regenbogen?“ Wie kam ich denn jetzt plötzlich darauf?
Als Kind hatte mein Vater meinem Bruder und mir des öfteren eine Geschichte über das Schlaraffenland erzählt. Da ich immer schon eine ausgeprägte Beziehung zu Naschereien aller Art hatte, war dies meine Lieblingsgeschichte. In meiner Phantasie rutschte ich über den Regenbogen aus fruchtigem Eis diverser Sorten und landete in einem riesigen Berg aus Vanillepudding. Als ich mich dort hindurchgefuttert hatte, bestaunte ich das Schlaraffenland. Süßigkeiten wuchsen an Büschen und Bäumen, gebratene Hühnchen flogen durch die Luft, in den Bächen floss ein stetiger Strom aus Milch in allen Geschmacksrichtungen und aus den Brunnen sprudelte meine Lieblingslimonade. Durch Zähneputzen bekam man Karies und von Kalorien hatte ich in dem Alter noch nie etwas gehört.
Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich einen Regenbogen sehe und das Kind in mir glaubt felsenfest an das Schlaraffenland auf der anderen Seite. Wenn es mir nur gelänge auf den Regenbogen zu klettern. In der Geschichte ist es der Strahl einer Taschenlampe, der einen dorthin bringen kann. Mit meinem heutigen Wissen denke ich in diesem Zusammenhang an Lichtgeschwindigkeit, die Relativitätstheorie und Einsteinsche Rosenbrücken in Paralleluniversen. In einem dieser Universen gibt es sicher auch das Schlaraffenland und die Scheibenwelt.
Aber zurück zum Hier und Jetzt. Wieso berührt mich diese alte Geschichte nach wie vor so sehr? Wenn es mir um gebratenes Hühnchen, Vanillepudding und Limonade ginge, könnte ich das Schlaraffenland in jedem Supermarkt finden. Wenn allerdings nach dem aufwendigen Trip über den Regenbogen statt des Schlaraffenlandes ein Supermarkt auf mich warten würde, wüsste ich das mit Sicherheit nicht angemessen zu schätzen. Es muss also etwas anderes sein, was dem anderen Ende des Regenbogens seinen Zauber verleiht. Etwas magisches. Die Magie von Supermärkten beschränkt sich darauf, dass sich diverse Produkte quasi über Nacht an einer komplett anderen Stelle des Ladens materialisieren. Wenn da nicht irgendein seltsames Kalkül der Supermarktkette hinterstecken würde, wäre ich tatsächlich geneigt an Magie zu glauben. So ist es einfach nur eine hinterhältige Attacke auf meinen sorgfältig geplanten Einkaufszettel.
Aber zurück zum Schlaraffenland. Der eigentlich interessante Punkt der Geschichte ist möglicherweise nicht das Schlaraffenland sondern der Weg dorthin – der Regenbogen. Ätherisch, prachtvoll, unerreichbar, wie aus einer anderen Welt – so taucht er am Himmel auf und verspricht magische Dinge. Gemäß Terry Pratchett würde er aus oktarinem Licht bestehen – also aus jenem Element, welches echte Magie überhaupt erst möglich macht. Da ist es doch nur logisch, dass sich hinter dem Regenbogen etwas Erstrebenswertes befindet. Sei es ein Topf mit Gold, das Schlaraffenland oder für manch einen eben einfach der Supermarkt mit dem magisch wechselnden Standorten des Sortiments.
Erstrebenswert ist für mich das Powerziel, welches ich mir gesetzt habe. „Ich lebe im Januar 2025 krebsfrei“. Übrigens überarbeite ich es gerade. Ich will das Wort Krebs ersetzen, da dieses Wort bei mir negativ besetzt ist. Stattdessen gefällt mir das Wort Heilung viel besser. Außerdem ist mir der Zeitraum zu lang – ich bin leider kein besonders geduldiger Mensch. Wie wäre es also mit „Der Prozess meiner Heilung ist bis Januar 2021 abgeschlossen und im Jahr 2025 gelte ich offiziell als geheilt.“ Ich feile noch daran. Eure Ideen dazu? Vielleicht sollte ich auch meinen Blog umbenennen in „Auf dem Weg der Heilung das Leben genießen“.
Und das schlägt eine schöne Brücke zur Geschichte mit dem Schlaraffenland. Jetzt weiß ich, warum ich die Frage aufgeschrieben habe, was hinter dem Regenbogen liegt. Dort befindet sich mein Powerziel, also die Heilung und der Regenbogen ist der Weg dorthin. Ein Weg voller Magie, den ich genieße. Der Onlinekurs und Ihr alle, die Ihr meinen Blog lest, mich inspiriert und mir so viel Mut und Kraft verleiht, seid der Strahl der Taschenlampe, der mich zum Regenbogen bringt. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine wunderschöne Nacht!
Das ist wieder so wundervoll geschrieben! Denk an dich
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🔦Meine Taschenlampe ist an.. und wird nicht mehr ausgeknipst bis du angekommen bist🌈
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Meine liebe Anne,
du schreibst so schön! Und dein Mut und deine Liebe zu dir und deinem Leben ist einfach nur wunderbar.
Mein Vorschlag für dein Powerziel:
„Der Prozess meiner Heilung ist bis Januar 2021 abgeschlossen. Ich BIN geheilt! “
💜🌈
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Mein lieber Schatz,
es freut mich besonders, welche nachhaltigen Wirkungen meine Gute-Nacht Geschichten über die Geheimnisse des Regenbogens und des dahinterliegend Schlaraffenlandes bei Dir entfaltet haben. Anscheinend inspirieren sie Dich erfreulicherweise zu wichtigen, weiterführenden Gedanken, die Dir in Deiner jetzigen Situation sehr positiv weiterhelfen. Darüber freue ich mich sehr! Mach weiter so! Du schaffst es, da bin ich mir sehr sicher!
In Liebe
Dein Papa
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