Heute vor 47 Jahren wurde ich getauft und zwar ganz hier in der Nähe, nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernt, in der evangelisch-lutherischen Kirche von Hamburg-Volksdorf. Wieso ich sowas weiß? Beim Suchen meines Impfpasses ist mir meine Taufurkunde in die Hände gefallen… ich bin nämlich seit gestern gegen Corona geimpft.
Der Impfpass ist sogar noch älter, als die Taufurkunde – ein echtes historisches Dokument, welches im Impfzentrum auch entsprechende Aufmerksamkeit erregt und für Verwirrung gesorgt hat, denn es steht ja noch mein Mädchenname drauf. Es gab darin außerdem keinen Platz mehr für den Biontech-Aufkleber, daher wurde der jetzt kurzerhand auf einen amtlichen Zettel geklebt und den habe ich gerade feierlich in meinen Impfpass eingetackert. Ich soll mir zwar beim Hausarzt einen neuen Impfpass ausstellen lassen, aber das wäre doch zu schade.
Der Wirbel um den AstraZeneca Impfstoff, den ich eigentlich bekommen sollte, und die neuen Erkenntnisse zu den seltenen Nebenwirkungen hat meinen Impfkrimi in den letzten Wochen noch einmal um einiges spannender werden lassen. Nach der Aussetzung der Impfungen mit AstraZeneca war zunächst gar nicht klar, was mit den bereits vereinbarten Terminen passiert. Dann gab es eine Meldung, dass alle Impftermine in Schleswig-Holstein bis einschließlich 11. April bestehen bleiben und bei den gefährdeten Personengruppen durch Impfstoffe von Biontech oder Moderna ersetzt werden. Was mit den bereits vereinbarten Impfterminen ab 12. April passiert, sollte dann später entschieden werden. Mein Impftermin war für den 12. April vereinbart – war irgendwie klar. Meine Nerven lagen blank. Täglich habe ich nachgeschaut, ob schon irgendwas Neues dazu veröffentlicht wurde – nichts. Erst letzten Donnerstag dann die Erlösung. Das bisherige Prozedere wird bis zum 18. April fortgesetzt und danach wird wohl in Schleswig-Holstein überhaupt nicht mehr mit AstraZeneca geimpft. Es war also endlich klar, dass mein Impftermin stattfindet und ich Biontech bekommen werde.
Trotzdem war ich unwahrscheinlich aufgeregt. Die ganze Zeit hatte ich Angst, dass noch irgendwas schief gehen könnte. Tausendmal habe ich überprüft, ob ich auch wirklich alle Unterlagen dabei habe und war schon eine halbe Stunde vor meinem Termin im Impfzentrum, dass sich passenderweise in der Turnhalle der Lungenklinik in Großhansdorf befindet und gar nicht weit weg ist. Ich habe den Eingang nicht gleich gefunden und war schon völlig aufgelöst und außer Atem, als ich am Empfang meine Unterlagen präsentierte. Meine Brille war durch die Maske komplett beschlagen, ich konnte kaum etwas erkennen. Es tummelten sich eine Menge junger Menschen der Bundeswehr hinter dem Empfangstresen und gaben mir ein Klemmbrett mit weiteren Anweisungen und Unterlagen mit. Im Wartebereich hatte ich dann zumindest Zeit ein wenig zu Atem zu kommen und meine Brille zu aklimatisieren. Lange musste ich nicht warten und wurde zu einem Arzt gebracht, der das Aufklärungsgespräch mit mir führte. Er fragte mich nach meinen Vorerkrankungen und es sprudelte völlig zusammenhanglos aus mir heraus. Keine Ahnung, ob er irgendwas verstanden hat. Auf meine Erklärung mit dem Brustkrebs und meiner Chemotherapie Kadcyla wollte er noch wissen, wer mein Gynäkologe ist – er war nämlich selber Gynäkologe. Ich hatte den totalen Blackout. Mir ist der Name meiner Ärztin nicht mehr eingefallen. Ich wusste nur noch, dass ein „von“ in dem Namen vorkommt und die Praxis in Hamburg ist. Das war mir natürlich sehr unangenehm, dem Arzt hat es aber natürlich nichts ausgemacht. Er schickte mich in die „Biontech-Kabine“. Es gab auch eine Kabine für AstraZeneca. In der Impfkabine wurde dann, wie schon erwähnt, mein Impfpass bestaunt. Ich bekam den Piks in den Arm und musste anschließend in einem weiteren Wartebereich für 15 Minuten sitzen, um eventuelle allergische Impfreaktionen abzuwarten. Nach Ablauf dieser Zeit erhielt ich von einem ausgesprochen freundlichen Bundeswehrsoldaten meine restlichen Unterlagen zurück und durfte gehen. Es war alles generalstabsmäßig gut durchorganisiert.
Als ich wieder in meinem Auto saß, bin ich vor lauter Glück und Erleichterung in Tränen ausgebrochen. Erst da wurde mir bewusst, wie groß die Angst und die Anspannung der letzten Wochen gewesen war. Als ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, habe ich beim nahegelegenen Bäcker eine riesige Menge Brötchen gekauft und bin dann ganz vorsichtig nach Hause gefahren, weil ich immer noch recht flatterig war. Die Kinder haben diese Woche noch Ferien, daher habe ich uns zur Feier des Tages ein großes Freudenfrühstück gemacht, mit dem ganzen guten Geschirr. Anschließend musste ich dann erstmal ein Verdauungsschläfchen auf der Couch einlegen und mich von der ganzen Aufregung erholen.
Mein zweiter Impftermin ist für den 17. Mai um die gleiche Zeit festgesetzt worden und als ich das vorhin im Kalender eingetragen habe, ist mir aufgefallen, dass es das perfekte Geburtstagsgeschenk ist. Es dauert ja bis zu 12 Tagen, bis man nach der Impfung alle Antikörper gebildet hat. An meinem Geburtstag dürfte ich dann also spätestens den vollen Impfschutz haben und wer weiß, vielleicht darf ich dann sogar eine kleine Feier machen. Eine Woche später, am 5. Juni, ist dann auch die Konfirmation meines Sohnes, die auf dieses Jahr verschoben wurde, weil die Pastorin annahm, dass dann alles besser sein würde… Ob und wie wir die feiern können, steht jedoch zur Zeit ebenfalls noch in den Sternen. Doch noch einmal verschoben wird sie nicht. Die Pastorin hat schon angekündigt, dass es zur Not eine „virtuelle“ Lösung geben wird.
Zwischenzeitlich hatte ich übrigens schon zweimal Chemotherapie, die ich jedes Mal ganz gut, ohne Übelkeit und ohne große Erschöpfung überstanden habe. Das schreibe ich vor allem meinem chinesischen Lebertee zu, den ich weiterhin fleißig trinke. Außerdem hatte ich mein Kontroll-CT der Lunge, welches jedoch wieder so unklar ausfiel, dass sich keiner festlegen wollte. Die Radiologen sprachen sogar davon, dass sich das Bild in der Lunge verschlechtert habe, obwohl es mir deutlich besser geht. Meine Onkologin war ratlos und empfahl mir, mich zur Mitbeurteilung der Bilder an die Lungenklinik zu wenden. Das habe ich dann auch getan. Freundlicherweise hat sich der Professor die Bilder angesehen und kam zu dem Schluss, dass es sich sehr wahrscheinlich um die laufende Vernarbung nach der Bestrahlung handelt. Da auf den Bildern die Reste meiner Pneumonitis (der medikamentenbedingten Lungenentzündung) wohl noch deutlich erkennbar waren, empfahl mir der Professor eine dreiwöchige Kortisontherapie mit Pretnison, um weitere Lungenschädigungen einzudämmen. Pretnison ist im Vergleich zu Dexamethason, welches ich im Rahmen meiner Chemotherapie bekomme, deutlich schwächer. Dexamethason hat ungefähr die 30fache Wirkung. Daher ist die tägliches Einnahme von Pretnison über drei Wochen nicht ganz so schlimm, wie es vielleicht im ersten Moment klingen mag.
Eigentlich wollte meine Onkologin die Chemotherapie während dieser Zeit aussetzen, doch leider sind zeitgleich die Tumormarker meines Brustkrebs leicht angestiegen, so dass wir das nicht riskieren konnten. Die Therapie war in den letzten Monaten schließlich auch sehr unregelmäßig, kein Wunder, dass die Krebsaktivität wieder etwas zugenommen hat. Es befinden sich immer noch die Metastasen im Darm und wir wollen nicht riskieren, dass sich irgendwo neue Herde bilden. Also Chemotherapie und Kortisontherapie gemeinsam. Mittlerweile sind zwei der drei Wochen Kortisontherapie um und ich fühle mich ziemlich gut. Die Nebenwirkungen beschränken sich vor allem auf Heißhungerattacken und Schlafmangel. Mehr als fünf Stunden Schlaf sind in der Regel nicht drin, das sieht man mir mittlerweile an den Augen auch schon deutlich an. Dabei fühle ich mich zum Glück nicht so furchtbar müde und bin durch das Kortison in einem andauernden leicht aufgeputschten Zustand. Wenn ich es nächste Woche absetze, schlafe ich wahrscheinlich erstmal wochenlang. Ich hoffe zumindest, dass ich dann nicht in ein großes Loch falle.
Im Mai wird es ein weiteres CT geben und diesmal hoffe ich, dass die Radiologen sich auf was Gutes festlegen. Sie könnten in ihren Bericht zum Beispiel reinschreiben, dass es keine „suspekten Läsionen“ in der Lunge gibt, die „Infiltrate“ (der Pneumonitits) verschwunden sind und überhaupt alles ganz „homogen“ aussieht. Vielleicht sollte ich einen entsprechenden Textvorschlag unterbreiten. Vorher habe ich allerdings auch noch den Nachbesprechungstermin im Strahlenzentrum. Dort hoffe ich, dass die Radiologen auf den vorhandenen CT-Bildern die Einschätzung der Lungenklinik bestätigen, dass die Auffälligkeiten einer normalen Vernarbung nach Bestrahlung entsprechen.
Da ich nun wenig schlafe, habe ich ungewöhnlich viel Zeit, in der ich sogar recht produktiv sein kann, weil ich schließlich so schön aufgeputscht bin. Das habe ich natürlich gleich zum Nähen genutzt. Vor Ostern hatte ich eine „Osteranhänger“ und eine „Eierwärmerphase“. Danach kam dann die „Scrunchie-Phase“, in der ich an die achtzig Stück genäht habe, in über fünfzig verschiedenen Designs. Die Ergebnisse könnt Ihr übrigens in meinem etsy-shop unter bluemchenfeedesign.etsy.com bewundern und sehr gerne auch bestellen. Ich mache auch Spezialanfertigungen nach Euren Wünschen, schreibt mich in diesem Fall einfach an.
Mit Nähen allein ist es allerdings noch nicht getan, denn meine Produkte für den etsy shop müssen im Anschluss noch fotografiert und die Fotos dann bearbeitet und auf etsy eingestellt werden – eine sehr zeitintensive Arbeit, die mir aber unwahrscheinlich viel Spaß macht. Vor allem, weil ich mir immer neue kreative Ideen überlegen kann, wie ich etwas in Szene setze und es dann mit Photoshop und anderen Anwendungen weiter bearbeite. Für meine Produktfotografie habe ich mittlerweile diverse Hintergründe, Unterlagen und Requisiten. Außerdem hole ich mir natürlich auch ständig neue Anregungen im Internet und auf den Social Media Seiten. Darüber hinaus habe ich mich erneut mit dem Thema Marketing beschäftigt und viele viele Stunden dazu am Rechner und im Internet verbracht. Ich habe meine Social Media Accounts auf Instagram und vor allem auf Pinterest aufgeräumt und neu gestaltet. Erst jetzt beginne ich zu verstehen, wie ich zum Beispiel Pinterest für Marketingzwecke nutzen kann. Bisher war es für mich nur eine Ideensuchmaschine. Nun hoffe ich natürlich, dass das alles auch zum Erfolg führt und mein kleiner shop auch ohne Masken einen soliden Liebhaber- und Käuferkreis findet. Ohne die Maskenverkäufe – die sich zur Zeit gar nicht verkaufen lassen – ist der Umsatz in diesem Jahr um 95% eingebrochen. Aber ich glaube, hier ist Geduld und Zuversicht gefragt. Ich werde den shop weiter ausbauen und bin mir sicher, dass meine Produkte dann früher oder später auch entdeckt werden. Im Moment bin ich in einer Art Testphase. Ich probiere einfach aus, was potenzielle Käufer anspricht und was nicht. Das macht im Grunde fast noch mehr Spaß, als nur Bestellungen abzuarbeiten, denn ich nähe immer genau das, worauf ich gerade Lust habe oder was ich immer schon mal ausprobieren wollte.
Außerdem habe ich mit einem professionellen Internettool ein neues Logo für Blümchenfeedesign entworfen, welches jetzt nur mir gehört. Damit habe ich dann zunächst Aufkleber mit Logo und Angaben nach Textilverordnung selber erstellt und dabei meinen Drucker verflucht. Der druckt nämlich neuerdings in seiner eigenen Farbwelt und überhaupt nicht so, wie es auf dem Bildschirm aussieht. Um einigermaßen vernünftige Farbergebnisse zu erhalten, musste ich die Farben dann mühsam anpassen, so dass sie dem Drucker gefielen. Außerdem hat er die Aufkleberseiten mal gerade und mal schief eingezogen – je nach Laune. Nur jede vierte Seite war brauchbar. Damit ist jetzt Schluß! Neben mir steht ein niegelnagelneuer Drucker, der hat sogar mehrere Einzugsoptionen und ist WLAN gesteuert. Er kann natürlich auch kopieren, scannen und sogar faxen (wenn ich wüsste, ob ich überhaupt eine Faxnummer habe und wie man das dann anschließt). Vielleicht macht er auch den Abwasch – ich muss ihn mal fragen. Mit dem alten Drucker können sich jetzt die Kinder verlustieren. Damit ist auch endlich das Problem gelöst, dass ständig ein Kind hier am PC sitzt und irgendwelche Dateien in irgendwelchen Ordnern speichert, um sie dann auszudrucken. Natürlich wird anschließend auch nichts geschlossen, so dass ich jedes Mal stundenlang Dateien schließen, aufräumen und entfernen muss, bevor ich ich irgendwas machen kann. Trotzdem kommt es dann noch vor, dass ich im Rahmen meiner Buchhaltung für meinen etsy shop plötzlich keine Rechnung, sondern eine „Übersicht über die Zellteilung“ verbuchen soll.
Nun gehe ich gleich meinen Wocheneinkauf abholen. Das habe ich neu für mich entdeckt und mache es heute zum dritten Mal. Ein Supermarkt im Ort bietet diesen Service für nur 2 Euro an und er ist genial. Super bequem und vollkommen sicher vor Corona-Aerosolen kann ich aus dem ganzen Sortiment und sogar Produkte von der Frischetheke wählen und in einen digitalen Einkaufswagen packen. Am Schluss wähle ich ein zweistündiges Zeitfenster für die Abholung aus. Meine Bestellung kann ich dann bis zum Vorabend noch abändern und ergänzen. Am Tag der Abholung kommt ca. eine Stunde vor dem Termin eine Bestätigung mit Informationen zu Produkten, die nicht lieferbar sind bzw. durch andere ähnliche Produkte ausgetauscht wurden. Ob ich diese alternativen Produkte kaufen möchte, entscheide ich dann vor Ort. Die Waren sind in Klappkisten verpackt, die man entweder in eigene Taschen umpacken oder aber gegen Pfand direkt mitnehmen kann. Es gibt eine eigene Kasse für den Service, so dass man den geringst möglichen Kontakt zu anderen Personen hat. Allein die gesparte Zeit und der geringere Stress durch die ganze Ein- und Auspackerei ist ja schon Gold wert. Habt Ihr Euch mal überlegt, wie oft Ihr jedes einzelne Stück Eures Einkaufs anfasst? Mindestens fünf Mal! Vom Regal in den Einkaufswagen – vom Einkaufswagen aufs Band – vom Band in den Einkaufswagen – vom Einkaufswagen in Tüten oder den Kofferraum – von dort aus in die Wohnung und dann in den Kühlschrank oder die Vorratsschränke. Der Supermarkt nimmt mir nun immerhin drei Mal ab und kein Stress mehr an der Kasse, wenn ich die Sachen nicht schnell genug in den Wagen räume. In der Nachbarschaft sehe ich auch gelegentlich den Lieferwagen dieses Supermarktes. Es gibt also eine noch bequemere Variante. Dafür habe ich allerdings noch kein Zeitfenster gefunden. Die sind immer schon alle ausgebucht und werden nur für 14 Tage angezeigt. Wahrscheinlich muss man wissen, wann der Supermarkt neue Zeitfenster einstellt und dann direkt zuschlagen – vermutlich nachts um 3 Uhr. Nee, da bleibe ich beim Abholservice und kaufe bei der Gelegenheit dann gleich noch ein paar schöne Tulpen am Eingang. Sehr zur Verwunderung meiner Kinder, die meine Obsession für Tulpen überhaupt nicht nachvollziehen können.
In diesem Sinne wünsche ich Euch eine frühlingshafte Woche – passt auf Euch auf, lasst Euch impfen, so bald es geht und bleibt gesund!