Und weiter geht die wilde Fahrt

Vier Tage sind vergangen und ich bin schon einen großen Schritt weiter. Den Blick fest aufs Ziel gerichtet und auf alles, was wirklich, wirklich wichtig ist – immer fröhlich voran. Die Dinge entwickeln sich jedoch so rasant, dass es mich manchmal schier umhaut und ich dann ein Stündchen schlafen muss.

Anfang der Woche war ich beim Hautarzt. Mein Vater hatte den Termin für mich gemacht, als es meiner Haut und vor allem meiner Mundschleimhaut durch den Antikörper Panitumomab so schlecht ging. Davon war zwar jetzt nicht mehr viel zu sehen – inzwischen sind auch fast sechs Wochen vergangen – aber der Hautarzt hat trotzdem einen Abstrich der Mundschleimhaut gemacht, um diese auf einen möglichen Pilzbefall zu testen. Es sei schon seltsam, dass sich die Schleimhaut so schlecht regeneriert, meinte er. Als ich ihm in Kürze meine Krankengeschichte geschildert habe, wollte er gern die Versorgung meines Körpers mit Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien überprüfen. Eventuell liegt dort der Grund für eine Immunschwäche versteckt, die die Ausbreitung von Krebs begünstigen kann. Am Tag darauf bin ich daher noch einmal nüchtern in die Praxis gefahren und habe eine Blutprobe abgegeben. Die Ergebnisse der Probe und des Abstrichs kann ich kommenden Montag telefonisch erfragen. Ich bin gespannt, denn den Ansatz finde ich grundsätzlich sehr gut.

Das Gespräch mit meiner Onkologin am Dienstag verlief im Großen und Ganzen so wie erwartet. Allerdings war sie der OP gegenüber doch deutlich skeptischer eingestellt, als ich gedacht habe. Ihr Standpunkt: Ich bin unheilbar krank und eine OP kann mich auch nicht retten. Die OP verschlechtert meine Lebensqualität und wenn danach neue Metastasen auftauchen – wovon sie wohl ausgeht – müssen wir mit Chemo fortfahren und es ist nichts gewonnen. So sehe ich das nicht und das habe ich dann auch deutlich gesagt. Im schlechtesten Fall hätten wir durch die OP zumindest Gewissheit was den Ursprung der Metastasen anbelangt. Dann könnte zumindest eine zielgerichtetere Chemo gefunden werden. Ich war durch die Leber-OP schon einmal vier Jahre lang frei von Metastasen. Warum stehen die Chancen denn jetzt so viel schlechter? Es könnte wieder so sein oder besser noch, die Metastasen kehren gar nicht mehr zurück. Zumindest gibt es eine Chance, die ich sonst nicht hätte. Eine wirkliche Alternative kann mir meine Onkologin mit der Chemo nicht bieten. Der Antikörper Panitumomab ist vom Tisch – ich vertrage ihn offensichtlich nicht. Die bisherige Chemo ist zu schwach, also müssten wir rumprobieren und eventuell die Chemo verstärken. Das kostet mich ebenfalls viel Lebensqualität und eröffnet deutlich weniger Chancen. Sie sagte mir dann aber auch, dass die Entscheidung letztlich bei mir liegt und es auch ungünstig ist, wenn ich nicht voll hinter einer Chemo stehe. Daher versicherte ich ihr, dass ich die gesamte Verantwortung übernehme egal mit welchem Ausgang. Ich muss diese Chance ergreifen, ich würde es mir sonst nie verzeihen.

Wir sprachen auch über meine Verärgerung über die Uniklinik. Verärgerung ist sehr diplomatisch formuliert, meine Psychotherapeutin hat es mit Groll bezeichnet, als ich ihr davon erzählte. Aber Groll hört sich an, als wäre ich ein Troll. Also ich bin verärgert über die Art und Weise wie mein Fall dort behandelt wurde und über die Tatsache, dass dort kein PET-CT angefertigt wurde. Dazu meinte meine Onkologin, dass ein PET-CT nicht die Standard-Untersuchungsmethode sei. Übersetzt: 08/15 Kassenpatienten bekommen so eine Untersuchung normalerweise nicht. Stattdessen operiert man offensichtlich gleich – die Krankenkassen zahlen zur Zeit anscheinend lieber 8000 Euro für eine OP, als 800 Euro für das PET-CT… möglicherweise bin ich doch ein wenig grollig. Ich denke aber, da wird in den nächsten Jahren ein Umdenken stattfinden. Das PET-CT wird populärer und die guten Ergebnisse werden auch den Krankenkassen nicht verborgen bleiben. Es ist sicher nicht immer nötig, aber wenn es um die Bestätigung oder das Aufspüren von Metastasen geht, ist es die beste Diagnostikmethode, die es zur Zeit gibt. Also wer betroffen ist, sollte auf ein PET-CT bestehen und zur Not die Krankenkasse überzeugen, es ist in den meisten Fällen medizinisch und kaufmännisch sinnvoll.

Letztlich sind meine Onkologin und ich übereingekommen, dass die Idee, in der Uniklinik den besten Behandlungsplan zu erhalten, grundsätzlich gut war. Immerhin sitzen dort alle Spezialisten in der Tumorkonferenz zusammen und man könnte erwarten, dass daraus geniale Ideen entstehen. Allerdings hapert es an der Umsetzung und an der Kommunikation unter den Ärzten sowie sicherlich auch an Zeit und Kapazität auf jeden Patienten ganz individuell eingehen zu können. Da greift wieder das alte Sprichwort: Viele Köche verderben den Brei. Daher werde ich zukünftig für meinen Brei jede Fragestellung in Bezug auf meine Erkrankung einzeln angehen und mir dafür die jeweils spezialisierte Klinik suchen. Die Fäden müssen dann eben bei meiner Onkologin und mir zusammenlaufen. Wir bekommen das schon hin. Das lief jetzt letztlich auch so. Sie unterstützt mich in meinem OP-Wunsch, indem sie alle nötigen Überweisungen und Einweisungen ausstellt.

Am Mittwoch habe ich dem Chefarzt der Lungenklinik meine Entscheidung mitgeteilt und wir haben gleich für nächste Woche einen zweitägigen stationären Aufenthalt in der Klinik vereinbart, um die Belastungsuntersuchungen und die Bronchoskopie durchzuführen. Außerdem sollte ich mir einen zeitnahen Termin für eine Lungenperfusionsszintigraphie in unserer örtlichen nuklearmedizinischen Praxis besorgen. Das hat auch hervorragend geklappt. Der Termin war bereits heute. Ähnlich wie bei der Knochenszintigraphie, die ich vor einigen Jahren hatte, fährt auch hier eine große Platte ganz nah an den Körper heran. Man fühlt sich, als befände man sich in einem Kopiergerät, allerdings eines, welches sich langsam um die eigene Achse dreht. Dabei misst es die Strahlung, die durch das vorher injizierte Kontrastmittel abgegeben wird. Es entstehen Bilder, die die Lungenaktivität in punkto Durchblutung der beiden Lungenflügel darstellen. Das Ergebnis war gut – ich finde sogar sehr gut. Demnach verantwortet der rechte Lungenflügel ohnehin bereits 77% der Lungenaktivität und der linke nur noch 23%. Das bedeutet, dass der rechte Lungenflügel einige Aktivität des voroperierten linken Lungenflügels übernommen hat. Rechnerisch heißt das für mich als Laie, dass durch die OP 23% der Lungenaktivität wegfallen und durch den rechten Flügel ausgeglichen werden müssen. Das klingt jetzt nicht so dramatisch.

Nächsten Dienstag fahre ich gleich morgens um 7 Uhr in die Lungenklinik und bleibe dort zwei Nächte. Am meisten Sorge bereitet mir die Bronchoskopie – hoffentlich ist alles in Ordnung, so dass operiert werden kann. Mein Online-Erfolgskurs sagt: Das was Du glaubst, ist das, was Du erfährst. Also glaube ich daran, dass alles super laufen wird. Übrigens glauben das meine Onkologin und meine Psychotherapeutin auch. Sie meinten beide, dass sich die Klinik mit ihrer Aussage operieren zu können nicht so weit aus dem Fenster lehnen würde, wenn sie nicht bereits fest davon überzeugt wären. Ich wähle die Frequenz des Vertrauens. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine gute Nacht!

Veröffentlicht von bluemchenfee

Im Oktober 2011 erhielt ich die Diagnose metastasierter Darmkrebs. Zu diesem Zeitpunkt war ich 38 Jahre alt und hatte zwei kleine Kinder im Alter von 3 und 6 Jahren. 2016 kam die Diagnose metastasierter Brustkrebs hinzu. Ich lebe in einer Kleinstadt im Hamburger Umland, bin mittlerweile geschieden, aber glücklich neu vergeben und alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern. Mein Alltagschaos zwischen Patchwork, Hundeerziehung und Krebserkrankung wird seit einem guten Jahr durch mein kleines Unternehmen Blümchenfeedesign abgerundet. Eigentlich aus der Not heraus entstanden, habe ich mir damit den Traum einer Selbständigkeit im kreativen Bereich erfüllt. Meine Produkte findet Ihr unter bluemchenfeedesign.etsy.com oder auf Instagram unter bluemchenfeedesign. In diesem Blog schreibe ich über meine vielfältigen Erfahrungen mit der Erkrankung, der Heilung und den Herausforderungen, aber auch über die lustigen und schönen Seiten des Alltags und die Chancen, die sich selbst in so einer Situation bieten. Damit möchte ich anderen Betroffenen, Angehörigen und Interessierten Mut machen. Es gibt immer einen Weg und am Ende wird alles gut!

Ein Kommentar zu “Und weiter geht die wilde Fahrt

  1. Das klingt soweit doch alles positiv, sofern man das so sagen kann. Es ist gut, dass Du Deinen Weg gehst und Dich nicht verunsichern lässt. Ich bin gespannt, was der Hautarzt rausfindet. Und viel, viel Glück für die Untersuchungen nächste Woche!!

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