Zehn Tage ist meine Brust-OP jetzt her. Am Morgen, bereits auf dem OP-Tisch liegend, konnte ich noch kurz mit dem Professor sprechen. Sein Kollege hatte ihm meinen Wunsch auf eine komplette Entfernung beider Brüste und möglichst aller Lymphknoten ausgerichtet. Für ihn war das in Ordnung, für mich alles geklärt und so konnte ich entspannt in die Maske atmen, die mich erneut in ein Narkose schickte.
Ich erwachte im Aufwachraum und fühlte mich sehr gut. Relativ zügig wurde ich auf meine Station gebracht und am Nachmittag kam der Professor vorbei um zu vermelden, dass er meinen Auftrag ordnungsgemäß erledigt hätte. Beide Brüste waren weg, zwölf Lymphknoten links und zwei rechts inklusive des Wächterlymphknotens. Er sagte außerdem, dass er noch ein wenig Fettgewebe belassen hätte, so dass ich noch ein kleines Dekolltee behalten würde. Ich luscherte später ein wenig unter den Verband und musste feststellen, das Dekolltee dafür ein reichlich enthusiastischer Begriff ist.
Das Beste an dieser OP war aber, dass ich kaum Schmerzen hatte. Ich benötigte keine Schmerzmittel, mir reichten zwei große Kühlpacks rechts und links. Die Schmerzen befanden sich auch nicht im Brustbereich, sondern eher unter den Achseln und an den Oberarmen. In den ersten beiden Nächten setzten die Schwestern sich durch und gaben mir eine morphinhaltige Spritze. Danach wollte und brauchte ich diese dann auch nicht mehr. Am Tag nach der OP kam der Verband ab und die Wunden – zwei geklebte Nähte – lagen völlig frei und blieben auch so. Ich hatte an jeder Seite zwei Drainagen und die waren eigentlich das Unangenehmste.
Das Krankenhaus ist alt, das hatte ich schon erwähnt. Die Toilette für die Patientenzimmer befand sich auf dem Gang. Diesmal hatte ich keinen Blasenkatheter, das bedeutete, dass ich schon bald nach der OP mit meinen vier Drainageschläuchen und den zugehörigen Flaschen eigenständig zur Toilette gehen musste. Für die Flaschen gab es selbstgenähte Umhängetaschen, das hat mir natürlich sehr gefallen. Es gab auch selbstgenähte Herzkissen für jede Patientin, die man sich super als Stütze unter den Arm schieben konnte. Später las ich, dass ehrenamtliche Näherinnen diese Dinge für das Krankenhaus nähen.
Am Tag nach der OP hieß es noch, dass meine Zimmernachbarin und ich zum Wochenende entlassen werden würden. Ich hatte mich also seelisch auf Freitag eingestellt. Leider lief sowohl bei ihr, als auch bei mir immer noch zu viel Flüssigkeit in die Drainagen, so dass sich die Entlassung bei mir um einen und bei ihr sogar um zwei Tage verschob. Auf einen Tag kommt es eigentlich auch nicht an, allerdings war es langweilig. Am letzten Tag entdeckte ich eine Dachterrasse, die die Patientinnen nutzen durften. Das war herrlich. Das Wetter war bombastisch und die Dachterrasse lag in einem komplett windgeschützten Innenhof. Dort hielt ich mich dann einige Stunden auf und bekam fast noch einen Sonnenbrand.
Ein weiterer Service des Krankenhauses ist der Besuch einer Mitarbeiterin des angrenzenden Sanitätshauses. Sie berät die Patientinnen über Epithesen – das sind Brustprothesen – und die zugehörige Erstaustattung mit BHs. Dazu misst sie den Brustumfang der Patientinnen und die Cup-Größe der Epithesen entspricht der Größe der anderen Brust. Bei mir waren ja nun aber beide weg. Ich war daher in der hervorragenden Situation frei wählen zu können. Ich konnte Dolly Buster sein oder Schneewittchen – eine schwierige Entscheidung. Die Mitarbeiterin riet mir allerdings eher zu Schneewittchen – also Cup A. Das war auch einleuchtend. Wenn ich mal ohne BH rumlaufe und gesehen werde, ist der Unterschied zu Cup-Größe A dann nicht so groß, so dass es möglicherweise gar nicht auffällt. Der zweite Grund, den ich verstand, als ich die Silikonepithese in der Hand hielt, ist das Gewicht. Die Epithesen sind den normalen Brüsten in Form, Haptik und Gewicht angeglichen und so eine Brust wiegt enorm etwas. Ich verglich Cup B mit Cup A und fand, dass selbst A schon richtig schwer war.
Die Entscheidung für A war also schnell gefällt. Für die ersten Wochen nach der OP sind meine Epithesen allerdings nur aus Watte. Die richtigen Epithesen liegen zwar bereits in meinem Schrank, aber die soll ich erst nach Abheilung der Wunden benutzen. Einen etwas netteren BH habe ich mir bereits im Sanitätshaus bestellt. Alles weitere kann man heutzutage prima – und auch kostengünstiger – im Internet bekommen. Es gibt Internet-Shops, die sich nur darauf spezialisiert haben und wirklich hübsche Dessous-Linien und Bademode führen. Da kommen dann einfach die Silikonepithesen rein und fertig. Und sollte mir doch mal nach Dolly Buster sein, so kann man sich dort auch entsprechende Epithesen bestellen 😉
Vor einer Woche wurde ich entlassen. Mein Vater fuhr mich nach Hause und am folgenden Tag brachte mein Freund meinen Hund. Die Kinder kamen einen Tag später zurück und so war der Alltag wieder perfekt und diesmal kam ich auch sehr schnell wieder in Form.
Letzten Montag hatte ich die Besprechung des histologischen Ergebnisses mit dem Professor. Links hatte der Tumor einen Umfang von 6,5 cm und rechts von 3,5 cm. Das ist groß und der Professor sagte, dass es rückblickend wirklich gut war, dass beide Brüste entfernt wurden. Leider waren bis auf zwei Lymphknoten alle weiteren befallen, auch rechts. Das Ergebnis hatte ich so erwartet, daher hat es mich nicht geschockt. Die Größe der Tumore und die befallenen Lymphknoten weisen leider darauf hin, dass eine Unmenge an Krebszellen im Körper umherschwirren. Wir besprachen also die möglichen Folgebehandlungen. Den Antikörper Trastuzumab soll ich auf jeden Fall weiter bekommen. Das war eigentlich schon vor der OP klar. Es gibt allerdings noch einen weiteren Antikörper, der mit Trastuzumab kombiniert werden kann. Da dieser Antikörper auch keine nennenswerten Nebenwirkungen hat, wäre es ein Versuch wert. Alle anderen Behandlungsmöglichkeiten sollten mit Blick auf eine erneute Metastasierung zurückgestellt werden. Für diesen Fall bräuchte man wirksame Mittel und sollte das Pulver nicht bereits verschossen haben. Krebszellen können ja leider einen Immunität gegenüber jeglicher Behandlungsmethode entwickeln.
Am Mittwoch erhielt ich dann erneut den Antikörper Trastuzumab bei meiner Onkologin. Diesmal vertrug ich ihn gut, wie sonst eigentlich auch. Bei der letzten Gabe nach meiner Lungen-OP hatte ich allerdings für zwölf Stunden hohes Fieber bekommen. Das lag aber wahrscheinlich an meiner ohnehin schlechten Verfassung. Meine Onkologin wusste noch gar nichts von der Brust-OP. Die Ereignisse hatten sich wieder einmal überschlagen und ich hatte sie seit März nicht mehr gesprochen. Ich setzte sie kurz ins Bild und auch sie war überrascht von der Größe der Tumore. Sie empfahl auch gleich den Kombiantikörper. Wir einigten uns darauf, dass wir den Arztbrief des Professors abwarten wollen und uns dann auf die zukünftige Behandlung verständigen werden. Der Professor hatte außerdem eine erneute genetische Überprüfung angeregt. Die Uniklinik hatte dies bereits vor knapp drei Jahren vorgenommen und zwar ohne Befund, aber es gibt möglicherweise neue Ansätze. Diesmal mache ich die Genprüfung auch nicht mehr in der Uniklinik. Vielleicht führt das auch schon zu einem anderen Ergebnis. Meine Meinung von der Uniklinik wird nämlich immer schlechter.
Sehr wichtig ist außerdem die regelmäßige Nachsorge in Form von CTs. Da das PET-CT offensichtlich Schwächen hat, wenn der Krebs vorbehandelt ist, kommt hier eher das normale CT in Frage. Dort lassen sich kleinste Veränderungen in den Organen erkennen, die natürlich dann im nächsten Schritt bewertet werden müssten. Das nächste CT ist für Mitte Mai geplant. Zusätzlich empfahl mir der Professor eine erneute Ganzkörperskelettszintigraphie. Diese wurde ebenfalls vor vier Jahren in der Uniklinik durchgeführt. Im PET-CT kamen Zweifel an der damaligen Diagnose auf und nun soll eine erneute Szintigraphie Klarheit bringen – die ich natürlich auch nicht in der Uniklinik machen werde. Im Juni möchte ich dann noch einen Magen- und Darmspiegelung machen lassen. Damit ist dann mein Check-Up komplett und ich hoffe natürlich ohne jeglichen Befund!
Im nächsten Schritt werde ich mich auf dem Weg der Heilung um mein Immunsystem kümmern. Zu diesem Zweck möchte ich einen Termin mit einer Heilpraktikerin vereinbaren, die mir von der Brustschwester im Krankenhaus empfohlen wurde. Das Krankenhaus arbeitet seit Jahren erfolgreich mit ihr zusammen. Sie therapiert hauptsächlich Brustkrebspatientinnen mit traditioneller chinesischer Medizin. Ich erhoffe mir von ihr eine Immunstärkung z.B. in Form einer Darmsanierung. Der Darm hat es sicher bitter nötig, nach all den Jahren der Chemotherapie, nach den ganzen Narkosen und Medikamenten inklusive der Unmengen von Antibiotika. Ich bin gespannt auf Ihre Sichtweise und Ihre Ideen.
Corona zum Trotz werde ich nun auch das Thema Pysiotherapie angehen. Bisher habe ich mich nicht getraut, aber es ist wirklich nötig. Ich merke schon jetzt, dass meine Körperhaltung aufgrund der OPs sich negativ verändert hat und mir Rückenschmerzen beschert. Montag hole ich meine Verordnung vom Hausarzt ab und werde mich darum kümmern.
Meine lieben Nachbarn haben mir gerade warme selbstgebackene Brötchen vorbeigebracht. Höchste Zeit, die immer noch schlafenden Kinder zu wecken und ein leckeres Frühstück zu genießen. Danach werde ich dann meine Corona-Maskenproduktion weiterverfolgen. Ab nächster Woche braucht sie jeder und die Anfragen türmen sich schon. In diesem Sinne: Bleibt gesund!
Hallo Anne,
Es ist wirklich toll, dass es Dir dieses Mal so schnell besser geht! Der neue BH ist super, sieht aus wie echt😃ich drücke ganz doll die Daumen, dass ab jetzt alle Befunde negativ sein werden und die rumschwirrenden Zellen keinen Ärger machen! 🙏Frohes Schaffen beim Masken nähen, die Stoffe sind wirklich sehr schön 😍
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